Dr. Leopold Treitel, der letzte Rabbiner von Laupheim

Archivalie des Monats November 2022

Aufgrund der ehemals größten Judengemeinde Württembergs wird der Monat November für Laupheim immer mit dem Verlust Dieser durch die Novemberprogome verbunden. Daher soll die Archivalie des Monats November 2022 dem letzten Rabbiner Laupheims gedenken und einem Einblick in sein Leben und sein Wirken in Laupheim geben.

Dr. Leopold Treitel wurde am 7. Januar 1845 als eines von sechs Kindern in Breslau geboren. Schon in jungen Jahren begann er, Hebräisch zu lernen. Auf Drängen seines damaligen Schulleiters besuchte er nach der Mittleren Reife weiter die Schule, da dieser der Meinung war, dass Treitel eher geeignet sei, ein Gelehrter zu werden als ein Geschäftsmann- wie es sein Vater eigentlich für ihn vorgesehen hatte. Nach dem Abitur studierte er an der Universität Breslau Philosophie und Geschichte und besuchte gleichzeitig das Jüdisch-Theologische Seminar Breslau. Er promovierte im Dezember 1870 an der Universität Breslau und wurde 1876 zum Rabbiner ernannt. Anschließend war er von 1878 bis 1881 Rabbiner in Koschmin in der preußischen Provinz Posen, danach zog er nach Briesen in Westpreußen um dort Rabbiner zu werden, eine Funktion die er bis 1884 ausübte. Im Mai 1882 heiratete er Rebecca Brann aus Schneidemühl, deren Bruder Marcus ebenfalls Student am Jüdisch-Theologischen Seminar Breslau gewesen war. Zusammen hatten sie drei Kinder. 1884 wurde er 2. Stadtrabbiner in Karlsruhe wo er auch als Religionslehrer an staatlichen Schulen tätig war. Im März 1895 übernahm er schließlich das Rabbinat am Laupheimer Judenberg.


Rabbiner Dr. Leopold Treitel an seinem Schreibtisch


Von der ehemals größten Judengemeinde Württembergs mit den 732 Mitgliedern waren zu diesem Zeitpunkt vor allem Aufgrund der Auswanderung nach Amerika und auch Abwanderung in die Städte Ulm, Stuttgart und München nur noch 381 Mitglieder übrig. Der Laupheimer Chronist August Schenzinger schrieb unter diesem Eindruck, dass in wenigen Jahrzehnten mit dem gänzlichen Abgang der Judengemeinde gerechnet werden müsste.
Während seiner Zeit als Bezirksrabbiner in Laupheim beschäftigte sich Leopold Treitel mit der jüdischen Ortsgeschichte. Er inventarisierte den Jüdischen Friedhof Laupheim durch Entschlüsselung der Inschriften auf den Grabsteinen und erstellte eine Liste aller auf dem Friedhof bis 1916 begrabenen Personen. Das Original dieser Liste wurde nach 1933 von der Reichsstelle für Sippenforschung beschlagnahmt, und zwischen Oktober 1944 und März 1945 verfilmt. Die ursprüngliche Liste ging dadurch verloren und wurde vermutlich vernichtet, der Film befindet sich heute jedoch im Besitz des Hauptstaatsarchivs Baden-Württemberg in Stuttgart. Eine Kopie dieses Films wurde von Nathanja Hüttenmeister für ihre Dokumentation über den Jüdischen Friedhof Laupheim verwendet.

Treitel predigte jedem Sabbat in der Synagoge, Er führte den Talmud-Thora-verein, in dem man sich zu religiösen Vorträgen traf und er gab Religionsunterricht für jüdische Schüler der Latein- und Real-schule. Mehrere Generationen junger Laupheimer sind von ihm unterrichtet worden. Er besuchte die Familien bei freudigen und traurigen Anlässen; er sammelte Spenden für die Armen und hatte ein großes Herz für Kinder. Zeitzeugen berichten, dass Treitel neben dienstlichem auch privaten Kontakt zum katholischen Stadtpfarrer hatte.

Im Jahre 1920 wurde die Baritonstimme des Kantors Emil Dworzan, von Simon L. Steiner an der Orgel begleitet, mit 35 Gesängen auf Tonbändern aufgenommen. Ein glücklicher Umstand der es ermöglicht noch heute Originaltöne aus Leopold Treitels Zeit als Laupheimer Rabbiner zu hören.

Mehr als 28 Jahre lang übte Treitel das Amt als Rabbiner in Laupheim aus. Dies ist die längste Amtszeit der Geschichte der jüdischen Gemeinde Laupheims. Es wurde kein Nachfolger von Treitel als Rabbiner ernannt. Infolgedessen erlosch das 1832 eingerichtete Amt des Bezirksrabbiners am 1. April 1923. Später lebte er dann weitere 8 Jahre, geehrt und geachtet, inmitten seiner Gemeinde im Ruhestand. Am 4. März 1931 starb Treitel im Kreise seiner Familie, nachdem er wenige Tage zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Laupheim beigesetzt. Als seine Frau Rebecca 1936 starb, wurde sie neben ihm beerdigt. Dies ist für jüdische Friedhöfe eher unüblich, da Männer und Frauen normalerweise getrennt bestattet werden.


Das gemeinsame Grab von Leopold und Rebekka Treitel