Das letzte Laupheimer Kino

Archivalie des Monats Februar 2022

Oft wird die Frage gestellt: „Wie kann es denn sein, dass die Geburtsstadt von Karl Lämmle, einem der Gründerväter Hollywoods, kein eigenes Kino hat?“. Tatsächlich hatte Laupheim bis zum Jahr 1968 sogar gleich 2 Kinos.
Doch Aufgrund der stetig wachsenden Konkurrenz aus Ulm und Biberach, dem Einzug der Fernseher und der leicht zu bekommenden Filmkopien, gehören seit 1968 das „Filmtheater von Hildegard Lämmle in der Rabenstraße 2 und seit 2005 auch die „Regina-Lichtspiele“ in der Mittelstraße 37 der Vergangenheit an. Geblieben ist nach dem geplanten „kommunalen Kino“ und dem kurzzeitigen Open-Air Kino aus dem letzten Jahr nach wie vor nur das kleine Laemmle-Kino im Museum zur Geschichte von Christen und Juden mit etwa 30 Sitzplätzen. Die Geschichte des letzten Laupheimer Kinos wird in diesem Monat behandelt.

Die Regina-Lichtspiele wurden 1956 nach den Plänen des Laupheimer Architekten Urban Mann erbaut und mit 398 Plätzen eröffnet. Der aus der Gegend um Memmingen stammende Besitzer Josef Specht schuf damit das zweite Laupheimer Kino neben jenem an der oberen Rabenstraße. Bei der Eröffnung am 20. Dezember lief zum Auftakt der Streifen „Die Fischerin vom Bodensee“ über die Leinwand.

Besitzer Josef Specht erzählte 1991 in einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung: „Die Leute hatten damals noch kaum Fernsehapparate. Unterhaltung gab’s hier bei uns. Grundsätzlich ausgebucht waren die Vorstellungen an den Wochenenden, wenn ganze Familien ins Kino strömten.“

Den größten Run aller Zeiten verbuchte Specht bei den Film-Klassikern „Ben Hur“ und „Vom Winde verweht“. Schon am Samstag waren damals die Vorstellungen für den Sonntag ausgebucht, und das Ehepaar Specht musste unzählige Leute doch tatsächlich wieder nachhause schicken. Schwierigkeiten, gute Filme und neue Filme zu bekommen, kannte man damals nicht. Jeden Montag, wenn Vertretertag angesagt war, kamen die Herren der Filmgesellschaften zu den Kinobesitzern ins Haus. Diese hatten bis zu 40 Filme im Angebot und die Familie Specht die Qual der Wahl, wenn sie zwei aussuchen mussten. Mit dem Einzug der Fernsehapparate in die deutschen Haushalte begannen die eher mageren Jahre für das Spechtsche Kino-Unternehmen. Noch verschärft wurde die Situation Jahre später durch die Errungenschaft der Videoapparate. Der große Einbruch zeichnete sich Mitte der 1960er Jahre ab, als auch mit den zuvor heißgeliebten Heimatfilmen kaum mehr jemand in die Kinos zu locken war. Doch mit der Schließung des Filmtheaters in der Rabenstraße 1968 an hatte Specht eine Monopolstellung im Städtchen und dieser Verpflichtung wollte er gerecht werden, auch wenn man in dieser Branche, sowie er selbst zugab, wirklich nicht mehr reich werden konnte. Als der Kinofilm in den 1980er Jahren vor allem bei der jungen Generation eine Renaissance erfuhr und neben dem amerikanischen auch der deutsche Film wieder im Kommen war, und auch Kinos auf dem Lande öfter mal in den Genuss aktueller Streifen kamen, hatte sich die Situation merklich verbessert.

1984 entschloss sich das Familienunternehmen Specht gar zu einer General-Renovierung nach der Devise „aus Eins mach Zwei“. Diese Zweiteilung hatte sich bewährt, denn Ein Film lief immer. Absolute Publikumsrenner das haben die Spechts extra so eingerichtet, konnten gleichzeitig in beiden Kinos abgespielt werden. Da kam es schon mal vor, dass am Abend kurzerhand umdisponiert und ein Film abgesagt wurde. Dies geschah wenn das Interesse an den zwei Filmen sehr ungleich verteilt war.


Kinobesitzer Josef Specht im Vorführraum beim Einlegen einer neuen Filmrolle


Bei aller Unwegsamkeit hatte das Provinzkino aber einem unschätzbaren Vorzug: -Man kannte die Besitzer des Kinos. Man konnte mit den Leuten reden. Anregungen der Kundschaft waren erwünscht und wurden nach Möglichkeit auch berücksichtigt. Im Kino auf dem Lande lief eben manches noch anders als bei den anonymen Großstadt Filmtheatern. Wo beispielsweise es das heute noch so, dass Besucher nach der Vorstellung per Handschlag und Frage verabschiedet werden: „Hat´s Ihnen gefallen?“ .

Nachdem Thomas Specht das Kino seines Vaters übernahm wollte dieser das Kino der Situation der späteren 1990er Jahre anpassen. Die Konkurrenz aus Biberach und Ulm wuchs stetig und Kopien der großen Kassenschlager kamen erst viel später in die Provinzkinos. Dies führte dazu, dass das typische Kinopublikum zwischen 16 und 30 Jahren inzwischen an die größeren Kinos in Biberach und Ulm abwanderte. Deswegen sollte sich das neue Programm hauptsächlich an Kinder richten. Leider genügten auch diese neuen Ansätze nicht und die Regina Lichtspiele in der Mittelstraße 37 waren mit der Schließung 2005 nach etwa 50 Jahren Geschichte und das letzte Laupheimer Kino schloss seine Pforten.


Regina Lichtspiele im Jahre 1984 mit der Aufstellungsfigur für die für den James Bond Film „Sag niemals nie“ geworben wurde