Seit dem Beginn der Corona-Pandemie geistert auch ein vielgebrauchtes Fremdwort im politischen und wirtschaftlichen Sprachgebrauch wie ein Schreckgespenst durch Presse, Internet und Fernsehen: „Inflation“ -Eine Abnahme der Kaufkraft pro Geldeinheit also ein realer Wertverlust des Zahlungsmittels. Bei diesem Wort kommen bei vielen Erinnerungen an die Hyperinflation in Deutschland und die Weltwirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg hoch. Sie wurde verursacht durch eine sprunghatte Steigerung der Preise für alle Güter des täglichen Lebens, der Vermögenswerte und Dienstleistungen.
Die Geldentwertung führte zum Zusammenbruch der Währung, zu einer beispiellosen Verarmung des deutschen Volkes, insbesondere der Sparer, die ihre Ersparnisse in den Jahren 1921 bis 1923 dahinschmelzen sahen.
Jene erste reichsdeutsche Inflation hatte ihren Keim schon im Ausbruch, Verlauf und Ausgang des Ersten Weltkrieges 1914/18, wurde dann rasch wirksam durch die Bedingungen des Versailler Friedensvertrages von 1919 mit seinen überharten Reparationen, durch die französische Besetzung des Ruhrgebietes im Jahr 1923, durch den Niedergang der deutschen Wirtschaft, den Ausfall des Exports und die Arbeitslosigkeit, die sich allenthalben schon bemerkbar machte.
Der Index der Großhandelspreise hatte sich von 1914 bis Mitte 1922 verhundertfacht. Dabei war das Jahr 1922 aber erst der Anfang der Katastrophe, einer zuerst „schleichenden“, dann aber „galoppierenden“ Inflation.
Die Geldentwertung und der Kaufkraftschwund der deutschen Mark konnte mit dem Massendruck von ungedeckten Banknoten nicht aufgefangen werden, und der Teufelskreis der Preissteigerungen nahm unentwegt seinen Fortgang. In der Lokalpresse jener Tage, im „Laupheimer Verkündiger“ und „Laupheimer Volksblatt“, überschlugen sich die einschlägigen amtlichen Bekanntmachungen. Der Nennwert der immer neuen Reichsbanknoten kletterte in astronomische Zahlenbereiche. Auf dem Höhepunkt der Inflation entsprach der Wert der alten Goldmark einem Betrag von einer Billion (1000000000000) Papiermark. Der damals allgewaltige amerikanische Dollar wurde mit 4,2 Billionen Papiermark notiert. Er war auch Maßstab für das Vergleichsvielfache, den „Multiplikator“.
Es soll nur ein Beispiel des Preisanstieges an der Dienstleistung des Kaminfegers aufgezeigt werden. Der „Verkündiger“ gibt in einer Bekanntmachung des württembergischen Ministeriums des Innern, vom 20. August 1923, die Kaminfegergebühren im Vergleich zur Festsetzung am 1. Juli 1919 an.
Sie betrugen das 300000fache; am 12. September das 830000fache; am 12. Oktober das 29,6 Millionenfache und am 29. Oktober das 21,3 Millionen- fache des Ausgangswertes. Als am 15. Oktober 1923 die Verordnung über die Errichtung der Deutschen Rentenbank in Kraft trat, und damit als neue Festwährung die „Rentenmark“ geschaffen werden sollte, zögerte sich dieses einschneidende Ereignis noch um Wochen hinaus, weil die Drucker an den Notenpressen in Streik getreten waren.
Angesichts des durch die Inflation bedingten Mangels an Zahlungsmitteln hatten sich die größeren Gemeindeverwaltungen, auch Banken und Industriebetriebe zur Herausgabe von eigenen Gut- und Notgeldscheinen entschließen müssen. Auch die Stadt Laupheim ließ eigene Noten drucken, um die Abwicklung der Zahlungsgeschäfte zu erleichtern. Schon am 15. Mai 1917 wurden in Stuttgart kleine, einseitig bedruckte Geldscheine hergestellt für die Stadtgemeinde Laupheim, zu 5 Pfennige (blau), 10 Pf. (gelb) und 50 Pf. (orange). Der Notgeldschein über 50 Pfennig, vom 5. Juli 1919, ist graphisch in Mehrfarbendruck am gefälligsten gestaltet. Er zeigt auf seiner Vorderseite nebst den Ziffern das Stadtwappen, auf der Rückseite die gegen den hellen Himmel sich in schwarz abzeichnende Stadtsilhouette; Entwurf Nic. Sauer, Essen/Achstetten – Ausführung Buchdruckerei A. Berger, Laupheim.
Dieselbe Druckerei schuf dann mit dem Datum 22. August 1923 drei Notenwerte zu Hunderttausend Mark (braun), Fünfhunderttausend Mark (violett) und eine Million Mark (grün). Diese „hochwertigen“ Scheine, einseitig bedruckt, verraten schon in der einfachen Ausführung, dass man ihnen von vornweg keine lange Gültigkeit eingeräumt hatte. Gutscheine sind auch bekannt von den Firmen „Laupheimer Werkzeugfabrik“, „Steiger-Aktiengesellschaft Burgrieden“ (Automobilfabrik) und „Gewerbebank Laupheim“.
Trotz der bitterernsten Zeitläufe blitzte ab und zu der Humor auf, eine Art Galgenhumor, wenn zum Beispiel die Oberamts-(Kreis-/stadt Biberach) auf ihre sehr gefälligen Notgeldscheine von 1923 kurze Sinnsprüche aufdrucken ließ. Auf den Schein zu 1 Million:
„An Mammons bös‘ Geflüster habe keinen Glauben! Er will Dir Eintracht, Ruh‘ und Frieden rauben“.
Auf dem Einmilliardenschein ist mit entsprechender Illustration zu lesen:
„Wir haben jetzt ein prächtig Geld. Der Teufel ihm die Waage halt.“
Bedingt durch die „galoppierende Inflation“ war dem Laupheimer Notgeld, wie auch den Reichsbanknoten (Nennwerte bis zu den Billionen) keine lange Gültigkeitsdauer beschieden. So wurden die Scheine vom 22. August 1923 schon am 5. Oktober zur Einlösung bei der Gewerbebank Laupheim zurück- gerufen. Der letzte Einlösungstermin 31. Oktober 1923 wurde vier Tage später durch Zeitungs-Bekanntmachung sogar auf den 15. Oktober vorverlegt.
Wegen der kurzen Benützungszeit ist der Erhaltungszustand des Notgeldes, das die Zeiten bis auf unsere Tage überdauert hat, ein sehr guterzur Freude der zahlreichen Sammler dieser kleinen Dokumente, Erinnerungsstücke an ein schlimmes Kapitel der deutschen Geschichte. Zahlreiche dieser Notgeldnoten sind auch im Stadtarchiv gelagert.
Im Jahr 1968 wurde an das Bürgermeisteramt Laupheim, zusammen mit einem 100000-Mark-Notgeldschein, folgendes humorvolles Gedicht von Matthäus Härle, Aulendorf, eingesandt:
„Auch ich war einst in ihrer Stadt zu jener schlechten Zeit.
Was die Inflation geschaffen hat, ist wieder bald so weit.
Wenn ich nach 45 Jahr Ihnen diese Not‘ präsentier, ist rechtlich sicher alles klar; es steht auf dem Papier.
Das Laupheim-Stadtschultheißenamt dem Einlieferer garantiert:
Zahlt ihm 100000 Mark auf d’Hand; der Schein ist ja signiert.
Ich bitte Sie, mir den Betrag auf mein Konto zu überweisen.
Ich freue mich auf diesen Tag, denn meine Frau geht gern auf Reisen.“